Christina Biehl hat als Schiedsrichterin Karriere gemacht und ihre Ursprünge liegen beim SV Niederhambach. 2001 hat sie ihre Schiedsricherprüfung abgelegt, 2004 wurde Christina Biehl bereits DFB Schiedsrichterin. Am 6. November 2021 schrieb sie zusammen mit ihren Kolleginnen Fußballgeschichte. Sie war Teil des ersten weiblichen Trios, das das erste Spiel im deutschen Profifußball leitete. Am Samstag tut Christina Biehl das zum letzten Mal, danach ist für sie Schluss.
svniederhambach.de hat mit Christina Biehl noch mal über ihren Weg als Schiedsrichterin gesprochen und sie vor ihrem letzten Spiel am Samstag interviewt.
svniederhambach.de – Interview
svniederhambach.de: Im Fußball geht es oft laut zu. Da sind Emotionen im Spiel. Es geht um viel. Du als Schiedsrichterin musst darauf achten, dass das alles aber auch nach Regeln abläuft. Wie hast dich da durch gesetzt und dir Respekt verschafft?
Christina Biehl: Es gibt da kein Geheimrezept. Jeder hat eine andere Art sich Respekt zu verschaffen. Der eine macht es über das Erscheinungsbild und das selbstbewusste Auftreten. Bei dem anderen ist es eher die Art und Weise der Spielleitung und des Spielverständnisses.
svniederhambach.de: Du warst 15, als du das erste Mal als Schiedsrichterin ein Spiel gepfiffen hast. Kannst du dich daran noch erinnern?
Christina Biehl: An das erste Spiel konkret nicht mehr. Ich weiß aber, dass es zu Beginn einige Jugendspiele gab, von denen ich heulend nach Hause kam. Das lag aber weniger an den jungen Spielern, als vielmehr an den Trainern oder Eltern, die manchmal sehr beleidigend und respektlos wegen Fehlern, die als Jungschiedsrichter einfach passieren, waren. Da hatte ich schon mit etwas mehr Verständnis und Respekt von erwachsenen Menschen gerechnet. Ich habe mir dann auch echt überlegt, ob ich mir das weiter antun soll. Daher auch an dieser Stelle an meine jungen Kollegen und Kolleginnen: Immer weitermachen – nie aufgeben! Der Erfolg ist das Ziel.
svniederhambach.de: Du bist drangeblieben, warum?
Christina Biehl: Das ist sowohl meinem Bruder, der auch Schiedsrichter war sowie meinem Vater, der Trainer bei der Südwestauswahl war, zu verdanken. Mein Vater hat an mich geglaubt. Er hat mir Mut gemacht und gesagt, dass ich dranbleiben und an mir arbeiten soll. Mein Vater ist leider 2005 verstorben. Mir war es auch für meinen Vater wichtig, weiterzumachen. Ich bin stolz, auch für ihn, dass ich meinen Weg gemacht habe.
svniederhambach.de: Am Ende eines Fußballspiels wird immer viel über die Leistung der Mannschaften gesprochen, selten über die der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, außer es gibt etwas zu meckern. Da stellt sich die Frage: Wie merkt man als Referee, dass man gut war?
Christina Biehl: Ein gutes Zeichen dafür ist, wenn das Spiel vorbei ist und keiner über das Schiedsrichter-Team spricht. Es ist nicht immer einfach alles richtig zu machen. Es ist aber unser Bestreben, wir wollen die Fehlerquote so niedrig wie möglich halten. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, wenn man überlegt, dass wir in einem Spiel etwa 300 Entscheidungen treffen.
svniederhambach.de: Das erfordert viel Konzentration. Hinzu kommt, dass du ja Spiele geleitet hast, in denen es um etwas geht. Da gibt es sicherlich viel Druck, wie bist du damit umgegangen?
Christina Biehl: Ich würde lügen, wenn ich sage, das lässt mich alles kalt. Ich bin natürlich vor einem Spiel aufgeregt. Ich habe aber auch genug Selbstvertrauen in mich, dass ich weiß, das wird schon klappen. Wichtig als Schiedsrichterin oder Assistentin ist auch eine gute Spielvorbereitung: Regelkenntnisse sowie physisch auf der Höhe zu sein, um der Dynamik und der Geschwindigkeit des Spiels standhalten zu können.
Ein guter Moment für mich ist immer, wenn ich das Spiel anpfeife oder ich als Linienrichterin das erste Fahnenzeichen gebe. Ich merke dann auch schon in den ersten Minuten, ob das ein schwieriges oder ein gutes Spiel wird. Dementsprechend anstrengend oder entspannt wird es dann auch für mich.
svniederhambach.de: Was war das schöne für dich am Schiedsrichterinnen sein?
Christina Biehl: Du musst in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung treffen. Mit guter Arbeit können wir aus einem guten Spiel so ein tolles Spiel machen. Wir erleben hautnah Emotionen mit – sowohl die auf dem Platz als auch die auf den Rängen. Und das i-Tüpfelchen ist dann, wenn jemand nach dem Spiel zu dir kommt und sagt: Gut gepfiffen.
Schiedsrichterin auf diesem Level, auf dem ich jetzt bin, zu sein, war schon immer mein Traum. Für mich ist das, als würde ich Nationalmannschaft spielen. Diese außergewöhnliche Erfahrung und Erlebnisse möchte ich nicht missen.
svniederhambach.de: Davon hast du ja einige gehabt. Was waren deine schönsten?
Christina Biehl: Dazu zählt auf jeden Fall das Champions-League Final der Frauen 2017 in Cardiff (Wales) zwischen Paris St. Germain und Olympique Lyon. Wenn ich da an das Einlaufen denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Ein Wahnsinns-Spiel, das nach Verlängerung erst im Elfmeterschießen Olympique Lyon für sich entscheiden konnte. Während dem Spiel war eine super Stimmung. Im Stadion waren 23.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Emotionen gingen hin und her. Ich habe selbst an der Linie, als Linienrichterin, alles richtig gemacht. Das war perfekt.
svniederhambach.de: Du pfeifst und assistierst seit mehr als 20 Jahren. Du bist bei Spielen in den Frauenligen im Einsatz gewesen, aber auch im Profibereich der Männer. Was war schwieriger zu pfeifen?
Christina Biehl: Das kann man nicht am Geschlecht festmachen. Was allerdings auffällt, ist, dass es bei den Frauen familiärer zugeht, sowohl die Spielerinnen als auch die Trainer und Trainerinnen kennen sich seit Jahren. Die Strukturen im Frauenfußball wachsen, sind aber mit denen im Männerfußball noch nicht zu vergleichen. Viele Spielerinnen sind keine Profis, müssen noch nebenbei arbeiten. Die Zuschauerzahl liegt im Durchschnitt bei etwa 1.000. Das TV-Interesse wächst, ein Spiel wird beispielsweise freitags abends auf Eurosport übertragen.
In der 3. Bundesliga, bei den Männern, ist das schon was anderes. Hier sind im Durchschnitt 8.000 Zuschauer, bei manchen Spielen auch mal 20.000. Ich hatte vergangene Saison auch zwei Einsätze auf dem Betzenberg, bei einem mit 19.000 Zuschauern, dass ist das schon eine tolle Herausforderung. Darüber hinaus wird jedes Spiel live übertragen, per Stream im Netz oder auch im TV. Der Leistungsdruck ist für mich hier auch deswegen noch größer, weil ich hier erst seit Anfang 2020 dabei bin und mich natürlich etablieren wollte.
svniederhambach.de: Am Samstag leitest du dein letztes Spiel. Noch einmal ein Einsatz beim wichtigen Pokalfinale in Köln. Danach beendest du deine Karriere als Schiedsrichterin. Warum ist Schluss und wie wehmütig wirst du sein?
Christina Biehl: Genau, am Samstag ist mein letztes Spiel. Ich habe mich beruflich verändert und werde ab dem 1. August Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung des Landkreises Birkenfeld. Diese neue Herausforderung möchte ich mit vollem Engagement antreten. Für mich ist es nicht umzusetzen, beiden Laufbahnen auf diesem hohen Niveau gerecht zu werden. Nach 21 Jahren Schiedsrichertätigkeit ohne Verletzungen und Rückschläge kann ich mit einem weinenden und lachenden Auge auf diese wunderbare und eindrucksvolle Zeit zurückblicken. Ich bin einfach nur dankbar für diese Erfahrung.
„Wenn es am schönsten ist soll man aufhören…“, das tue ich jetzt. Auf dem Höhepunkt höre ich auf. Ich habe den Sprung in den Profifußball geschafft, darauf bin ich sehr stolz. Ich freue mich, in Zukunft mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Das hohe Pensum an Reisebereitschaft, Training, Lehrgängen, Stützpunkten, Spielen und Turnieren ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Daher bin ich sehr d’accord mit meinem Entschluss und freue mich auf eine neue spannende Zeit ohne die Schiedsrichterei. Ich danke allen, die mich auf diesem Wege unterstützt haben!